Wasser, Feuer und ein bisschen Heavy Metal
Es ist ein Szenario wie aus einem Katastrophenfilm. Eine kleine Rettungsinsel treibt auf dem Meer, mehrere Gestalten winken aus der Einstiegsluke und schwenken verzweifelt eine Signalfackel. Fehlt nur noch der Hai, der sich unaufhaltsam nähert, um die Schiffbrüchigen in ihrem schaukelnden Gummiboot zu attackieren.
Aber der Hai kommt nicht. Er kann auch gar nicht kommen, denn es gibt hier keine Haie. Nur ein paar Möwen, die das Spektakel routiniert ignorieren. Wir sind im alten Fischereihafen von Rostock, am Schauplatz einer Übung, die zu einer dreitägigen Fortbildungsmaßnahme gehört.
Selbst ein Österreicher ist für den Kurs an die Ostsee gereist
Die Veranstaltung ist Pflicht für alle, die auf Plattformen im Meer arbeiten wollen – egal ob es um Windenergie, Meerestechnik oder Öl- und Gasförderung geht. Ohne das am Ende verliehene Zertifikat dürfen die Offshore-Männer nicht mal auf eines der kleinen Zubringer-Schiffe steigen, mit denen das Personal zu den Windparks gebracht wird. Und schon gar nicht auf die bis zu 100 Meter hohen Turbinentürme klettern, die immer öfter vor den Küsten von Nord- und Ostsee zu finden sind.
Das Training läuft unter dem Kürzel BOSIET, und dieser Name ist zugleich Programm. „BOSIET steht für Basic Offshore Safety Induction and Emergency Training”, erklärt Volker Heinrich Seibert. „Es geht also vor allem um die Grundlagen der Offshore-Sicherheit und um das richtige Verhalten bei Notfällen auf hoher See.“
Auf diesem Gebiet ist Seibert Spezialist. Seine Firma ISC Training & Assembly bildet seit 2008 Facharbeiter in Arbeitssicherheit und Notfallmedizin aus. Das Unternehmen arbeitet eng mit dem Aus- und Fortbildungszentrum Rostock (AFZ) zusammen, das zum Nordmetall-Verbund „Nordbildung“ gehört.
Die meisten Teilnehmer stammen aus dem hohen Norden, aber manchmal sind auch welche aus den südlichen Bundesländern dabei. Oder sogar aus Österreich, so wie heute. Der Ingenieur aus dem Salzburger Raum arbeitet für eine international tätige Bohrfirma und planscht nun ausgelassen mit fünf Kollegen im Rostocker Hafenbecken. Einige Meter weiter sitzen Seibert und sein Ausbilder Jury Struwe in einem Begleitboot.
Die Stimmung ist gut, denn das Ostseewasser ist dank der milden Witterung wärmer als erwartet. Die grellroten Überlebens-Overalls, die Struwe am Morgen ausgegeben hat, tun ihr Übriges; richtig angelegt und ordentlich verschlossen können sie einen Havarierten sogar im Eismeer vor dem Erfrieren schützen – falls er rechtzeitig wieder aus dem Wasser herauskommt.